Ausflug ins Vivarium

 

Vom Mai-Regen wächst man …

 

 

… hat man uns Kindern früher eingeredet, wenn uns die Eltern bei trübem Wetter nach draußen locken wollten.

 

Am Sonntag, 7. Mai hat dieses Motto auch bei einigen afghanischen und  jesidischen Flüchtlingsfamilien gewirkt. Wir trafen uns frühmorgens bei Nieselregen an der Straßenbahnhaltestelle und fuhren in den Darmstädter Zoo. Ich hatte unsere Gruppe mit bunten Chiffontüchern „markiert“. Die Jungs banden sich die Tücher um die Stirnen und fühlten sich verwegen wie Cowboys und Indianer. Die Mädels knüpften hübsche Schleifchen aus den Tüchern und trugen sie im Haar. Die Männer wickelten sich das Tuch verschämt um das Handgelenk, und die Frauen hatten kein Problem mit einem bunten Schal … Als dann die Kontrolleure die Fahrkarten sehen wollten, konnten sie auf einen Blick erkennen, wer zu unserer Gruppe gehörte. Und das war etwas später beim Eintritt ins Vivarium auch nützlich.

 

Welche Tiere hinterließen wohl den stärksten Eindruck? Geier, Schildkröten und Schlangen oder  Meerschweinchen? Die Vielfalt der Formen und Farben, mit der unser  Schöpfer glitzernde Piranhas, Pfeilgiftfrösche Frösche und anmutige Schmetterlinge beschenkt hat? Den kleinen Kapuzineräffchen konnten wir besonders nahe kommen und staunten, wie sich ihre winzigen Babies auf dem Rücken ihrer Mütter festklammern konnten und auch bei halsbrecherischer Akrobatik nicht abstürzten. Leider hatten die Ziegen keine Lust auf unsere Streicheleinheiten. Dafür ließen sich drei Esel bereitwillig striegeln und tätscheln.

 

In einer Regenpause fanden wir eine lange, halbrunde Bank und kramten unser Picknick aus Rucksäcken und Taschen. Frikadellen wurden mit Zwiebeln und Tomatenscheiben in große Pfannkuchen gewickelt und in scharfe Sauce gedippt. Natürlich durften wir „Deutschen“ auch mal probieren. Und einige unserer Gäste überwanden ihr Misstrauen gegen Dinkel-Vollkornbrot mit Karotten und Walnüssen  und bissen tapfer in die Butterstulle. Als Nachtisch naschten wir Äpfel und Hanuta und tankten reichlich Wasser, denn auch bei Regenwetter muss der Durst von innen gelöscht werden.

 

Auf dem Platz vor dem Zoo-Imbiss sang, spielte und trommelte eine  Latino-Life-Band gegen die Regen-Tristesse an. Einer der Afghanen konnte seine Lebensfreude nicht mehr für sich behalten und tanzte los, während wir ihn durch Klatschen und Pfiffe motivierten. Die Kids lutschten dabei vergnügt ihr Eis. Dann pilgerten wir mit müden Füßen, aber glücklich, zur Bushaltestelle.

 

Wir waren insgesamt 36 Leute. Von uns „Deutschen“ haben einige usbekische, estnische, österreichische,  tschechische und schwäbische Wurzeln. Die  24 Geflüchteten stammten aus Afghanistan, Syrien und dem Irak. Sie sprechen teilweise Dari, andere Kurmandschi; sie können sich miteinander nur durch Gesten verständigen und mit uns ein paar Brocken Deutsch reden.

 

Trotzdem wurden freundschaftliche Fäden geknüpft. Sie werden helfen, traumatische Erlebnisse aus der Vergangenheit zu bewältigen und Vorurteile abzubauen (z.B. die Furcht der Jesiden vor sämtlichen Muslimen). Unsere Gäste lernen, dass wir uns in Deutschland gegenseitig respektieren. Unterschiedliche Ansichten und Religionen müssen kein Hindernis sein, wir können trotzdem friedlich miteinander auskommen. Solche gemeinsamen Aktionen machen Spaß und vertiefen das gegenseitige Verständnis.

 

Fazit: wir sind vielleicht durch den Mairegen nicht in Zentimetern gewachsen, aber doch ein ganzes Stück im gegenseitigen Verstehen.

 

Sylvia Renz